Trauer und Arbeit: Wie du den Alltag nach einem Verlust meistern kannst
- Katharina Esser
- 19. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Seit etwas mehr als einem Monat habe ich nun wieder eine Anstellung bei der ich fast täglich ins Büro fahre, bei der ich mich mit Kolleg:innen austauschen und gemeinsam an Themen arbeite. Und dann bekam ich vor ein paar Tagen, die Info, dass eine mir nahestehende Person im Krankenhaus liegt, dass es unklar ist, ob sie das Krankenhaus wieder verlässt. Und ich habe mich gefragt, wie gehe ich auf der Arbeit mit diesem Thema um? Wie schnell kann ich meinen Liebsten zur Seite stehen? Wie kann ich mir und meiner Trauer Raum geben, wenn es denn dazu kommt, dass diese Person stirbt.
Und da kam mir wieder das Bild meines Trauermeers in den Sinn. Ein Verlust ist wie ein starker Sturm auf hoher See, der alles durcheinanderwirbelt und auch keinen Halt vor meinem doch so gut geplanten und organisierten Arbeitsalltag macht.
Und dann fühlt man sich vielleicht wie ein Schiff, das seinen Kurs verloren hat: orientierungslos und gleichzeitig unter dem Druck, die Anforderungen des Berufsalltags zu bewältigen. Führungskräfte und Kolleg:innen sind oft unsicher, wie sie trauernde Menschen gut unterstützen können. Und auch du stellst dir vielleicht oftmals in deiner Trauer die Frage: „Wie gehe ich mit meiner Trauer am Arbeitsplatz um?“
Oft wird verdrängt und funktioniert oder, wenn es dann gar nicht mehr geht, kommt die Krankenmeldung für ein paar Tage Auszeit von allem.
Ich möchte dir heute ein paar Gedanken mit auf den Weg geben, wie du deine Rückkehr in den Job nach einem Verlust gestalten kannst.
1. Trauer am Arbeitsplatz: Eine Herausforderung
Nach einem Verlust fühlt sich der Arbeitsplatz oft wie ein raues Meer an. Die Anforderungen an Leistung und Professionalität stehen oft im Widerspruch zu deinen emotionalen Bedürfnissen. Manche Menschen empfinden die Arbeit als stabilen Hafen, andere hingegen erleben sie als zusätzliche Belastung. Beides ist völlig normal.
Typische Herausforderungen für Trauernde im Job:
Konzentrationsprobleme und Erschöpfung
Plötzliche „Trauerwellen“ oder emotionale Ausbrüche
Unsicherheiten im Umgang mit Kolleg:innen
Schuldgefühle, wenn die Arbeitsleistung nicht wie gewohnt ist
Diese Herausforderungen zu benennen, kann bereits der erste Schritt sein, um mit ihnen umzugehen. Sprich offen mit deiner dir vorgesetzten Person, bitte um Entlastung von besonders herausfordernden Aufgaben oder um Ruheinseln - Auszeiten, die du in deinen Arbeitsalltag einbauen kannst. Oft sind vorgesetzte Personen auch unsicher, wie sie Trauernde unterstützen können. Ein offenes Gespräch kann für beide Seiten Entlastung bringen.
2. Deine Rechte als trauernde Person am Arbeitsplatz
Auch in stürmischen Zeiten stehen dir gewisse Rechte zu – sie können dir helfen, ein wenig Boden unter den Füßen zu gewinnen.
Sonderurlaub:
Viele Unternehmen bieten in einem Trauerfall bezahlten Sonderurlaub an. Prüfe deinen Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag – oft finden sich hier weitere Regelungen.
Unbezahlter Urlaub oder Überstundenabbau:
Wenn du mehr Zeit benötigst, kannst du mit deiner vorgesetzten Person über eine flexible Lösung sprechen.
Krankschreibung:
Wenn du psychisch stark belastet bist, ist eine Krankschreibung eine Möglichkeit, um dir den nötigen Raum zu geben.
Tipp:
Sprich offen mit deiner Führungskraft oder der Personalabteilung über deine Situation, damit ihr gemeinsam eine gute Lösung findet.
3. Tipps für den Wiedereinstieg in den Job
Wie ein Boot, das nach einem Sturm vorsichtig wieder Fahrt aufnimmt, darf auch dein Wiedereinstieg behutsam und in deinem Tempo erfolgen. Hier sind einige Ideen, die dir helfen können:
a) Gib dir Zeit
Niemand erwartet, dass du direkt wieder auf „volle Fahrt“ gehst. Starte langsam und überlege, ob eine schrittweise Wiedereingliederung für dich hilfreich sein könnte.
b) Teile deine Bedürfnisse mit
Es kann dir helfen, einer Kollegin, einem Kollegen oder deiner Führungskraft mitzuteilen, wie es dir geht. So lassen sich Missverständnisse vermeiden, und Unterstützung kann organisiert werden.
c) Setze klare Grenzen
Fühlst du dich überfordert, ist es wichtig, „Nein“ zu sagen. Trauer kostet Energie – Priorisieren und Delegieren sind in dieser Zeit besonders wichtig.
d) Erlaube dir Pausen
Trauer ist ein kraftzehrender Prozess. Gönne dir regelmäßig kleine Pausen, um durchzuatmen und emotionalen Druck abzubauen.
e) Suche dir Unterstützung
Wenn du das Gefühl hast, dass die Belastung zu groß wird, können Trauerbegleitung oder therapeutische Unterstützung dir helfen, deine Gefühle zu sortieren und neue Wege zu finden.
4. Wann du eine Auszeit in Betracht ziehen solltest
Manchmal kann es sinnvoll sein, sich eine längere Pause zu gönnen, bevor du deinen Job wieder aufnimmst. Achte auf diese Signale:
Du fühlst dich dauerhaft überfordert.
Emotionale Ausbrüche im Arbeitsalltag häufen sich.
Deine Konzentration reicht nicht aus, um deine Aufgaben zu bewältigen.
In solchen Fällen solltest du dich nicht scheuen, mit deiner Führungskraft über eine längere Auszeit oder Krankschreibung zu sprechen. Hole dir unbedingt einen ärztlichen Rat ein.
5. Trauer und Arbeit: Der Weg zurück in ruhigeres Fahrwasser
Die Rückkehr zur Arbeit nach einem Verlust ist ein individueller Prozess – so einzigartig wie jede Reise auf dem Meer. Für manche ist der Job ein sicherer Hafen, für andere ein belastender Sturm. Beides ist in Ordnung.
Wichtig ist, dass du dir Zeit lässt, auf deine Bedürfnisse hörst und deine Gefühle ernst nimmst. Denke daran: Du musst diese Reise nicht allein machen. Es gibt Menschen, die dir zur Seite stehen, sei es im privaten Umfeld, bei der Arbeit oder durch professionelle Unterstützung.
Du bist wie ein Schiff, das durch ein Trauermeer navigiert. Trauer wühlt die Wellen ganz schön auf. Mit Geduld, Unterstützung und einem offenen Austausch kannst du auch in stürmischen Zeiten sicher über dein Trauermeer steuern und dann wirst du deinen eigenen Kurs wiederfinden.
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